Ralf Wagner
[19.7. 2006]

Kombinlohn für Ältere
oder Wie der Staat zum "Opfer" seiner eignen Fehler wird

„Gute“ Sozialpolitiker glauben an den „starken Staat“, den man dringend brauche, um vor allem wirtschaftliche Fehlentwicklungen auszugleichen. Damit glauben sie natürlich auch an sich selbst, denn was anderes ist der Staat als das Agieren seiner Politiker. Je fester allerdings der Glaube, desto geringer ist aber leider der Willen (oder auch die Fähigkeit) zum kritischen Blick auf das eigene Handeln - zur Einsicht, daß man womöglich nur korrigierend den selbst verschuldeten Problemen hinterher läuft. Nichts zeigt des besser als der Vorschlag des Bundesarbeitsministers für einen Kombilohn für ältere Arbeitnehmer.

Im Gefolge der Wirtschaftswunderjahre und des Machbarkeitswahns der ersten Großen Koalition erhöhte sich die Staatsquote in den siebziger Jahren um fast zehn Prozentpunkte, finanziert neben rasant steigenden Schulden vor allem doch Steuern und Sozialabgaben auf Arbeit. Daß die Unternehmen mit dem für sie nun immer teurer werdenden Arbeitnehmen immer „sparsamer“ umgingen, bestreiten zwar eingefleischte Etatisten noch heute, doch war schon in den Jahren vor der Wiedervereinigung die ständig ansteigende Arbeitslosigkeit nicht mehr zu übersehen. Natürlich wurde die Schuld daran nicht bei sich selbst gesucht. Man fand sie in der rasanten Entwicklung der Arbeitsproduktivität und übersah geflissentlich, daß diese zu einem guten Teil nur der Reflex auf die hohen Arbeitskosten war. Und „natürlich“ mußte jetzt der Staat eingreifen. Die Idee: Die Arbeit anders „verteilen“ durch Arbeitszeitverkürzung und Frühverrentung. Letztlich beschleunigt beides das Anwachsen der Arbeitslosigkeit, denn finanziert wurde alles wie gehabt über Lohnzusatzkosten bzw. über das Nettoeinkommen mindernde Sozialabgaben. Arbeit wurde abermals teurer.

Auch hier paßten sich die Unternehmen an. Entlassen wurden vorwiegend ältere Arbeitnehmer, weil ihnen der Staat den Weg in den vorgezogenen Ruhestand vergoldete. Zugleich waren die Einsparungen hier ja höher als bei jüngeren Arbeitnehmern, denn das angeblich soziale Senioritätsprinzip der meisten Tarifverträge sieht ein Steigen der Einkommen allein mit dem Lebensalter vor.

Die Folgen waren abzusehen. In keinem anderen der großen Industrieländer ist heute die Erwerbsbeteiligung der Vorruhestandsgeneration so gering wie in Deutschland. Ganz abgesehen von den Folgen für die Sozialkassen, die von den Betroffenen zehn Jahre weniger Einzahlungen bekommen und zehn Jahre länger Nettoleistungen erbringen müssen. Überflüssig anzumerken, daß auch das nochmals die Arbeitskosten steigert und die konsumwirksamen Einkommen der Arbeitnehmer mindert.

Und die Reaktionen? Wieder sind die es angeblich die Unternehmen und nun deren vermeintlicher Jugendwahn, die am Pranger stehen. Und wieder soll der Staat eingreifen. Jetzt mit Kombilöhnen und Zuschüssen für die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern. Doch mittlerweile wird die Politik von ihren eigenen Untaten eingeholt. Gerade neu gewählt hat Franz Müntefering vor nicht einmal einem Jahr dafür gesorgt, daß die Regelungen für den vorgezogenen Ruhestand bis zum Ende des Jahrzehnts fortgeschrieben werden. Jetzt schlägt er Kombilöhne für Ältere vor. D.h. der Steuerzahler finanziert zur gleichen Zeit Programme zur Frühverrentung und für die Wiederbeschäftigung der Vorruhestandsgeneration. Hier dreht sich der Wahnsinn im Kreise. Eigentlich müßten es nun auch die hartgesottensten Verfechter eines „starken Staats“ bemerken: Die endlosen staatlichen Eingriffe des Staates in den Arbeitsmarkt lösen kein Problem, sie sind das Problem.

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