Ralf Wagner
[24.2. 2004]

Kein Mangel an Populisten
Zu Werner A. Perger und Götz Hamann: Die Angstmacher in Die Zeit 09/04
http://www.zeit.de/2004/09/03_Populismus

Deutschland – ein Land ohne Populisten? Haben Sie da nicht wen überbesehen?
Beim Lesen der Bild-Zeitung kann Ihnen doch Oskar Lafontaine nicht entgangen sein. In den Zeiten der höchsten Staats- und Sozialleistungsquote aller Zeiten spürt er unverdrossen dem kalten Wind des Neoliberalismus nach und wie mit der Wünschelrute sucht er immer neue Geldquellen für die Umverteilung. Wer arbeitet ist ein Raffke und nur wer von staatlichen Alimentationen lebt, ist schon vorab sozial schwach und schützenswert – so wie Oskar Lafontaine selbst. Er hat sein ganzes Leben im Öffentlichen Dienst verbracht und muß nun mit den Almosen der Übergangsgelder und sonstigen Pensionsansprüche auskommen. Die Steuern von gut zwei Dutzend Facharbeitern dürfte wohl jeden Monat für diesen sozialen Zweck fällig sein. Unbekümmert fordert er immer neue Schulden und neue Steuern. Dass es immer weniger werden, die das finanzieren müssen, dass sie immer mehr nur dafür arbeiten – wen interessiert’s. Oskar Lafontaine bestimmt nicht. Wenn der kein Populist ist, dann gibt es keine Populisten.

Oder sind Ihnen die Herren Peters und Bsirske ergänzt durch die Damen Engelen-Käfer und Mönnig-Raane noch nicht aufgefallen? Unbeirrbar bereichern sie jede Talkshow mit der These, dass die hohen Lohnkosten in Deutschland nichts, aber auch gar nichts mit der nicht abnehmen wollenden Arbeitslosigkeit zu tun hätten. Wenn ein Arzt behaupten würde, dass exzessiver Alkoholmissbrauch und Leberzirrhose nichts miteinander zu tun hätten, würde das wohl keiner akzeptieren. Anders bei Deutschlands Top-Gewerkschaftern. Schließlich haben sie ja auch „überzeugende“ Argumente. Die Lohnstückkosten zum Beispiel, bei denen Deutschland durchaus vergleichbar mit anderen sei. Das überzeugt aber nur die, die keine Ahnung davon haben, was Lohnstückkosten eigentlich sind. Christiansen und Co. gehören mit Sicherheit dazu. Und dann ist ja Deutschland auch noch Exportweltmeister. Nur gerade wegen der hohen Arbeitskosten sind wir das nur noch durch die Ausfuhr solcher Güter, deren Wertschöpfung heute schon großenteils selbst im Ausland stattfindet und die dann als Vorprodukte importiert werden und denen vielleicht irgendwann hierzulande nur noch der Stern auf den Kühler gesetzt wird.

Stolz sind wir auch auf die vielen Windräder. In Deutschland stehen mehr davon als im Rest der Welt zusammen. Und die Propheten dieses nachhaltigen Unfugs sind sich auch ganz sicher, dass die Räder auch bald oder irgendwann einmal mehr Energie liefern werden als zu ihrer eigenen Herstellung und zu ihrem Betrieb notwendig ist. Wie bei den Solarzellen. Weder Mülltrennung noch Dosenpfand helfen der Umwelt, sind aber volkspädagogisch wirksame Eckpfeiler ökopopulistischer Weltverbesserer.

Und nun auch noch die Sorge um die zu geringe Geburtenrate – auch ein Thema für die ZEIT. Die Deutschen bekommen zu wenig Kinder! Was natürlich heißt soll: Mehr Geld für Familien – in der bayerischen Version: mehr Geld für Ehen, im Zweifel auch ohne Kinder und im Zweifel weniger für Singles mit Kind. Und natürlich Strafsteuern für Kinderverweigerer. Daß die Geburtenrate fast parallel mit der Zunahme der Transferleistungen zurückgegangen ist und es deshalb wohl noch gewichtigere Ursachen für den Geburtenrückgang geben dürfte, passt wieder nicht ins Konzept. Und wofür brauchen höhere Geburtenraten? Zum Abbau immer weiter wachsender Staatschulden, weil wir noch immer über unsere Verhältnisse leben oder uns nicht von Keynesianischen Irrtümern trennen können. Oder zur Finanzierung der jeden Tag größer werdende Ansprüche an ein Rentensystem, welches wir angeblich nicht reformieren können. Arme Kinder!

Nein, an Populisten mangelt es diesem Land wahrlich nicht. Nur im Gegensatz zu anderen Ländern haben sie hier den Weg in die Institutionen, auch in die Medien schon lange gefunden. Allein der gesunde Menschenverstand hat es schwer. Und die Wirklichkeit. Denn für Populisten ist klar: Wenn die Ideologie nicht mit der Realität übereinstimmt, dann gnade der Wirklichkeit.

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