Ralf Wagner

 
 

Bodenreform

Seit der Einigungsvertrag geschlossen wurde, wird er kritisiert und infrage gestellt - mit unterschiedlichem Erfolg. Nun ist es die Bodenreform, deren Ergebnisse angefochten werden.


Man muß in der Tat keinen Junker in der Familie haben, um festzustellen, daß es sich beim Einigungsvertrag um eine Art Sonderrecht handelt, welchem deshalb Verfassungsrang eingeräumt wurde, um Besonderheiten, die sich aus dem Beitritt der DDR ergaben, zu respektieren und ein Prozeßflut, die sich aus der Anwendung des westdeutschen Rechts auf das sog. Beitrittsgebiet ergeben würden, abzuwenden. Das heißt nichts anderes, als daß Tatbestände gesichert werden sollten, welche ansonsten einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten würden.

Insofern ist der Unmut derer verständlich, die sich jetzt mit den Entscheidungen der Bodenreform abfinden müssen. Nachvollziehbar ist auch, daß das Rechtsverständnis vom Justizminister angefangen, über die Beteiligten selbst bis hin zum Publizisten wie Erich Böhme gröblichst verletzt wird.

Wenn aber die Bodenreform zu Diskussion gestellt wird, werden auch alle anderen Tatbestände des Einigungsvertrages wieder anfechtbar. Es war schließlich das Sonderrecht des Einigungsvertrages, der Zehntausende von öffentlich Bediensteten arbeitslos machte - undenkbar in westdeutscher Rechtstradition -, und es war der Einigungsvertrag, welcher das unselige Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" über die Ostdeutschen brachte. Tradition der Rechtssprechung auf der Grundlage des BGB ist, daß jemand, der sein Eigentum in gutem Glauben erworben hat, sich dieses nach vielen Jahren auch dann "ersessen" hat, auch wenn sich irgendwann einmal herausstellt, daß der Vorbesitzer unrechtmäßig Eigentümer geworden war. "Erbengemeinschaften" und "Alteigentümer" wären dann wohl leer ausgegangen. Vielleicht aber auch der eine oder andere Alteigentümer von Bodenreformland.

Eigentlich, Herr Schmidt-Jotzig, Herr Böhme und verehrte Alteigentümer, können sich die Ostdeutschen doch nur wünschen, daß das Sonderrecht des wohl doch mit heißer Nadel genähten Einigungsvertrages gekippt wird. Gerechter wär's allemal.

Mai 1997

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