Ralf Wagner

 
   
 

Der Euro - ein Erfolg der Greise

 

Der Euro kommt - sagte der Kanzler in Dublin, sichtlich erleichtert und stolz auf den eigenen Erfolg.

Obwohl ihn, den Euro, immer weniger wollen, ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auch keiner braucht und über die Folgen seiner Einführung trotz oder wegen des derzeitigen Vorbereitungsstandes eigentlich nur spekuliert werden kann, macht die politische Klasse des sich vereinigenden Europa mit wenigen Ausnahmen die gemeinsame Währung Euro zur alles entscheidenden Frage des ausgehenden Jahrtausends. Mit ihm soll das Werk des Europäischen Binnenmarktes gekrönt werden und die Gestalter werden, wenn auch mehrheitlich hart an der Pensionsgrenze, noch zu Lebzeiten ihren Platz in den Geschichtsbüchern finden.

Vergessen scheint, daß man einst die Währung tatsächlich als Krönung und Abschluß des wirtschaftlichen und politischen Zusammenwachsens geplant hatte, nach einer Angleichung der Steuer-, Sozial- und auch Rechtssysteme - und in einer funktionierenden und demokratischen politischen Union. Doch gerade die ersten Jahre des Binnenmarktes zeigen, daß auf allen diesen Gebieten die Defizite größer sind als die Fortschritte. Weit entfernt ist die EU von einem einheitlichen Steuersystem, einer harmonischen Sozialordnung usw. usw.

Um dennoch im Zeitplan (des eigenen politischen Lebensweges) zu bleiben, dreht man die ganze Sache nun einfach um. Das vorweggenommene Ende der Entwicklung, eine gemeinsame Währung, soll die Behebung aller Defizite in den anderen Bereichen beschleunigen. Das Geld wird Druckmittel für die angestrebte Entwicklung. Wie so etwas eben nicht funktioniert, belegt die Entwicklung der Märkte in Ostdeutschland, belegen die Landschaften, deren Blühen die gegenwärtige Politikergeneration wohl kaum noch erleben dürfte.

Erleben kann man hingegen jetzt schon, welche gesamtwirtschaftlichen Folgen eine zwar sicher notwendige, aber unter unsinnigem Zeitdruck, mit wenig Kreativität ausgeführte und mit der auf Geldwertstabilität als einzigem und damit mit Sicherheit falschem Ziel ausgerichteten Budgetpolitik hat. Hektisch werden die Gürtel enger geschnallt - allerdings immer die der anderen -, Probleme werden vor sich hergeschoben und wenn sie denn angepackt werden, eigentlich nur auf andere verlagert. Interessenkonflikte überlagern zukunftsorientierte Ansätze, Verteilungskämpfe kündigen sich an (eigentlich finden sie schon statt), der Konsens über die Werte der Republik und die Dialogfähigkeit der gesellschaftlicher Gruppen schwinden erosionsartig.

Es festigt sich nun aber auch zunehmend in Deutschland der Eindruck, daß alle diese Entwicklungen nicht etwa durch den internationalen Wettbewerb, der viel zitierten Globalisierung der Märkte, beschleunigt werden sondern durch den blinden Euro-Eifer der Politiker. Während die Arbeitslosigkeit sogar noch schneller steigt als die Vermögen scheinen die Schwerpunkte der Wirtschaftspolitik eben deutlich falsch gesetzt.

Schneller Erfolg beim Euro und Dauerprobleme für die europäische Wirtschaft in den Folgejahren - das zeichnet sich als Botschaft an zumindest die nächste Generation ab.

Schlimmer noch. Wenn die Meinungsforscher nicht völlig daneben liegen, dann ist die große und wachsende Mehrheit nicht nur der Deutschen gegen eine schnelle Einführung des Euro. Aber damit sind sie allein gelassen. Regierung und Opposition überbieten sich gegenseitig beim Run auf die Einheitswährung, wobei die Argumente sich auf beiden Seiten wohl letztlich auf rituelle Glaubensbekundungen reduzieren. Wer für Europa ist, muß für den Euro sein - und zwar jetzt. So einfach ist das - für Politiker. Aber wie gesagt, selbst wenn Mehrheiten dies nicht so sehen, wird es nichts ändern. Die Volksvertreter fühlen sich - möglicherweise mit dem Blick auf ihren Platz in der Geschichte - wohl mehr als Verkünder von Ideologien und Werber denn als Interessenvertreter. Kein Wunder, daß sich das Gefühl breit macht, auf europäische Politik haben die Bürgerinnen und Bürger so viel Einfluß wie z.B. auf das Wetter. Und das ist für das künftige Europa viel bedenklicher als es die schlimmsten Folgen eines "weichen" Euro je sein können.

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