Ralf Wagner
[1.1. 07]
Nicht die Länder sind
schuld am Stillstand
zu Holger Schmale "Brecht die Macht
der Länder" in Berliner Zeitung 18.12. 2006
Holger Schmale hat dazu
aufgerufen, die Bundesländer abzuschaffen und begeisterte
Leserbriefe stimmen ihm zu. Da wird es Zeit, auch einmal dagegen
zu halten, denn eigentlich karikieren sich seine Argumente selbst.
Zum einen führt er an, daß für das leistungsschwache
Bildungssystem die Länder die Verantwortung tragen. Wirklich
alle Länder? Hätten die Bayern, die Baden-Württemberger aber
auch die Sachen und die Thüringer nicht ihre Ländermodelle
durchsetzen können, wären ihre Schulen den leistungsfeindlichen
Dauerreformern zum Opfer gefallen und das Bildungsniveau in ganz
Deutschland wäre heute auf dem Stand von NRW oder Bremen mit
streßmindernden Kuschelecken in der Grundschule. Es sollte schon
nachdenklich stimmen, wenn nun gerade die Pisa-Verlierer und nur
diese nach Vereinheitlichung rufen.
Nicht besser ist die zweite Begründung. Der deutsche Föderalismus
mindere die deutsche Europafähigkeit und eine EU-Kommissarin
beschwere sich sogar schon über die vielen Abstimmungen, die sie
durchführen müsse. Mit anderen Worten: die Länder stören die
Technokraten. Daß aber genau diese Konstruktion der Europäischen
Union, welche ihre Mitgliedsländer zu Bundesstaaten degradieren
will ohne ihnen gleichzeitig mehr Einfluß auf die eigenen
Entscheidungen zuzubilligen, verantwortlich für das
Verfassungsdesaster ist, blendet Herr Schmale geflissentlich aus.
Ein genauerer Blick in die von ihm gelobten Zentralstaaten sollte
ihm zudem die Erkenntnis ermöglichen, daß viele regionale
Probleme dieser Europäischen Union vom Baskenland über
Korsika bis Nordirland mit föderalen Strukturen keine
mehr wären.
Gerade durch die Globalisierung und die Europäische Einigung
suchen und finden die Menschen Verankerung in ihrer Region.
Diesen Regionen Rechte zu nehmen kommt einer Entmachtung gleich.
Da können deren Repräsentanten, wie Herr Schmale vorschlägt,
hundert Mal direkt gewählt werden sie bleiben Grüßaugust
in einem Zentralstaat, auf deren Entscheidungen die Bürger so
viel Einfluß hätten wie auf das Wetter; das wäre Symbolik
statt Demokratie.
Dennoch: Die Länderparlamente sind unsinnig groß im Vergleich
zu den Aufgaben, die sie zu bewältigen haben, der Länderfinanzausgleich
enthält massiv Fehlanreize, verhindert Wettbewerb und nährt den
weit verbreiteten und gut gepflegten Irrglauben, die Verfassung
verpflichte den Bundesstaat für gleiche Lebensverhältnisse in
allen Ländern zu sorgen. Beides kann und muß man ändern.
Allerdings schützt die sogenannte Ewigkeitsklausel im Artikel 73
die Grundfesten der Demokratie unter anderem die
bundesstaatliche Ordnung an sich. Den Vätern des Grundgesetzes
sei dank.
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