Ralf Wagner
[31.3. 07]

Räterepublik Europa?
zu Josef Joffe: „Von wegen Alte Welt!“ in Die Zeit 13/07

Europa sei „eine Postdemokratie, in der die Bürger das Herrschen den Räten und Kommissionen überlassen“, meint Josef Joffe, gleichzeitig aber ein „freiheitliches, freundliches und fürsorgliches Gebilde.“ Einen „fürsorglichen Staat“ gab es schon mal: die DDR. Nur endete diese Fürsorge in Vormundschaft und in Entmündigung. Auch Räterepubliken sind nicht neu. Es waren Diktaturen und nichts anderes.
Aber diesmal überlassen angeblich die Bürger den Eliten das Regieren ganz freiwillig. Woher, Herr Joffe, wollen Sie das denn wissen? Die Bürger werden ja in der deutschen repräsentativen Demokratie gar nicht erst gefragt. Nicht einmal über die Auswahl der Repräsentanten haben sie Einfluß auf die europäische Politik, denn hier unterscheiden sich die Partei schon lange nicht mehr. Die Zustimmungen zu den europäischen Projekten in den Parlamenten erinnert dann in der Tat schon an Wahlergebnisse aus den genannten Räterepubliken. Muß Europa sich in anderen Ländern wie jüngst in Frankreich und den Niederlanden dann doch einmal um die Zustimmung der Wähler bemühen, ist das Debakel vorgezeichnet. „Große Europäer“ wie Jaen-Claude Juncker haben für diesen Fall auch gleich eine „postdemokratische“ Lösung entwickelt: Es wird noch einmal abgestimmt! Wahrscheinlich so lange, bis die Bürger endlich ihren Räten folgen. Oder bis sie aufgeben und „einsehen“, daß es die Räte ja nur gut meinen und ihr eigenes Votum künftig überflüssig ist.
Europa ist am Scheideweg. Entweder wird es die Demokratie als Wert an sich respektieren. Dann muß sich die Kommission zurücknehmen und das Europäische Parlament wäre wohl überflüssig, da Europa ja werder ein Staat ist und auch keiner werden will. Oder es wird enden wie andere Räterepubliken oder institutionalisierte Avantgarden auch.

eMail | Ihre Meiung | Fenster schließen