Ralf Wagner

   

[11.08. 1999]

   
    Schluß mit dem Ladenschluß

Mit seiner Öffnung an einem Sonntag hat der Berliner Kaufhof sogar Johannes Rau zu der trotzigen Aussage, daß Gesetze solange Geltung haben, bis ein neues Gesetz in Kraft tritt, provoziert, der damit eher unfreiwillig demonstrierte, daß die Rebellion gegen das Ladenschlußgesetz weit über das bloße Aufsperren der Geschäfte hinausgeht.

Wie kaum ein anderes Gesetzt zeigt es, daß bestimmte Gruppen in jahrzehntelanger Lobbyarbeit sich Sonderrechte in Form von Gesetzen erstritten haben, auf die man sich immer dann zurückziehen konnte, wenn der Unsinn solcher Regelungen wieder einmal offensichtlich wurde. Das Ladenschlußgesetz zeigt aber auch, wie Politiker im Zwiespalt zwischen der Erkenntnis dieses Unfuges und dem Druck der Lobbyisten die Gesetze immer weiter verkomplizierten und damit das eigentliche Dilemma eher verschlimmerten. So benachteiligt z.B. der erlaubte Souvenier-Sonntagsverkauf in den Innenstädten ganz eindeutig die Randbezirke, von Wettbewerbsgleichheit kann keine Rede mehr sein.

Aber ist es denn nicht überhaupt eine Anmaßung, daß der Staat seinen Bürgern vorschreibt, wann sie einkaufen dürfen? Wenn alle unter den gleichen Bedingungen arbeiten würden, mag man das noch hinnehmen. Nur während der Arbeitstag eines Verwaltungsbeamten in der Regel einen ausgedehnten Einkauf nach Dienstschluß erlaubt, kann bei den meisten Tätigkeiten in der freien Wirtschaft davon kaum die Rede sein. Dies gilt auch für die Wochenende. Von den Gewerkschaften "unbemerkt" arbeiten an Wochenenden nicht mehr nur Ärzte, Kellner und Feuerwehrleute sondern auch viele Arbeitnehmer und Freiberufler in neuen Dienstleistungsbranchen. Über den einen oder anderen geöffneten Laden wären die am Wochenende bestimmt glücklich. Ob die Nacht zum Einkaufstag wird und auch ob der Sonntag ein "normaler Tag" wird, das sollten die Kunden entscheiden. Kein Geschäft öffnet dauerhaft, wenn keiner kommt. Gesetze sind da unnötig, sie benachteiligen alle, die, deren Arbeitszeiten sie nicht schützen. Daher sollten auch die Kirchen sich besser darauf konzentrieren, sich um die Menschen zu kümmern, anstatt ihre Dogmen mit halbherzigen Gesetzen durchsetzen zu lassen. Oder was würden wohl bayerischen Bischöfe davon halten, wenn sonntags nach dem Kirchgang die Gastwirtschaften mit dem Verweis auf die nach der Weimarer Reichsverfassung gesicherte Sonntagsruhe geschlossen blieben?

Schlimmer als für die Kunden ist das Beharren auf solchen Regelungen wie dem Ladenschlußgesetz aber für den Arbeitsmarkt. Natürlich haben die Gewerkschaften Recht, wenn sie immer wieder behaupten, daß längere Öffnungszeiten nicht mehr Geld in die Taschen der Kunden bringt und die Umsätze damit nicht steigen werden. Aber darum geht es doch überhaupt nicht. Es geht darum, daß die Umsätze dort entstehen, wo man dem Kunden entgegen kommt, wo man dann für ihn das ist, wann er es wünscht und die Öffnungszeiten nicht organisiert wie im Einwohnermeldeamt. Sehr viele Existenzgründer und nicht die großen Supermarktketten würden gerade diese Lücke nutzen, der Spätschicht-Krankenschwester im Kiez auch nach 22 Uhr noch Lebensmittel zu verkaufen oder dem Softwaredesigner auch nach 20 Uhr noch mit einem Druckerkabel zu helfen, damit er am nächsten Morgen seinen Auftrag abliefern kann. Nur sie d ü r f e n es nicht! Und ihnen das zu verwehren ist angesichts der erwiesenen Unfähigkeit des Staates mit immer neuen Gesetzen für mehr Beschäftigung zu sorgen, ein Skandal.

Johannes Rau fällt damit auch weit hinter seinen Vorgänger zurück, wenn er einzig auf die Gültigkeit von Gesetzen verweist. Jeder weis, daß die deutschen Steuergesetze undurchschaubar und damit ungerecht sind - nur sie vereinfacht keiner; jeder weiß, daß das Umzugsgesetz in verschwenderischer Weise ehemalige Bonner Beamte versorgt - nur es ändert keiner; jeder weis, daß Sparen am besten bei sich selbst anfängt, nur es macht keiner - und jeder weis, daß das Ladenschlußgesetz überfällig ist , .... [11.08. 1999]

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